Tagebuch einer Enukleation
Verfasst: Sa 17. Feb 2024, 17:26
Vorstellung
Ich bin Oliver aus Koeln, 55 Jahre und beabsichtige hier meinen Weg zum Glasauge (oder auch nicht) zu beschreiben. Im Moment spiele ich, mal wieder, mit der Idee mein blindes Auge entfernen zu lassen.
Hierbei habe ich noch einige Fragen und Unsicherheiten, die ich in näherer Zukunft abklären möchte. Ich habe in den letzten Tagen fast das gesamte Forum durchstöbert und mir viele Fragen notiert die sich daraus ergaben um diese nächste Woche bei meiner (neuen) Augenärztin und wohl auch im Anschluss hier zu diskutieren.
Unfall
Es war zwei Tage vor meinem 10ten Geburtstag, ich lief von unserem Kinderzimmer zum Treppenhaus um eine Etage tiefer, in der Küche, etwas zu Trinken zu holen. Mein Bruder, damals 11 Jahre, experimentierte am Fenster zu einem Flachdach, wo er WC-Reiniger und Wasser in eine Glasflasche gefüllt hatte. Ich fragte was er da mache. Er berichtete mir und ich verstand sofort: Die Flasche wird gleich explodieren (Schaumbildung und dadurch Überdruck in der Flasche).
Ich schrie ihn an er solle die Flasche sofort aus dem Fenster schmeissen, drehte mich mit dem Rücken zu ihm, hielt die Hände vor mein Gesicht und bückte mich. Das letzte was ich sah, war die Flasche, direkt vor meinen Augen, die mir mein Bruder unter die Nase hielt.
Ich erinnere mich, das ich "wach" wurde von meinem eigenen schreien, öffnete die Augen und sah, meine blutigen Hände.
Ich habe noch einige Erinnerungsfetzen, bevor ich zu meinem Geburtstag zweit Tage später wieder die Augen öffne und auf dem Bettschränkchen im Krankenhaus einen Geburtstagskuchen sah... .
Ausgangsdiagnose und kurzfristige psychologische Folgen
Das Auge war glatt durchschnitten. Wurde aber wieder zusammengeflickt. Glaskörper war verloren und durch Silikon ersetzt. Ein Ring aus Silikon um das Auge gelegt um es zu stabilisieren. Der Ring ist heute noch um das Auge gelegt.
Ein Grossteil der Iris war verloren und ich dadurch extrem Lichtempfindlich. Die ersten zwei Jahre bin ich kaum rausgegangen wenn es hell war. Ich konnte die Augen kaum öffnen, so schmerzhaft.
Die Linse war auch zerstört. Die Netzhaut funktionierte noch. Mit Linse (Brillenglas oder Kontaktlinse, hätte ich sogar recht gut sehen können auf dem Auge, was aber immer nur bei Untersuchungen der Fall war. Es war eine Kontaktlinse geplant, die ich aber wegen Komplikationen nie erhalten habe.
Eine narbe Quer durchs Gesicht zeugte davon, wie viel Glück ich hatte, das ich überlebt habe.
Im Verlauf der Jahre hatte ich zunächst panische Angst vor allen Sprühdosen, Deos, Farbdosen und vor allem aber Sektflaschen. Diese Angst habe ich heute immer noch ab und an.
Dennoch habe ich mir das Tauchen als Hobby gesucht und gehe selbst mit 200 Bar Pressluft gefüllten Tauchtanks ins Wasser. Dabei kann ich die Angst heute fast völlig vergessen. Soweit wieder ok.
Zu Sylvester kann ich zwar eine Flasche Sekt öffnen aber lieber überlasse ich das anderen, mein Mann weiss das und er geht meist in die Küche und kommt mit eingeschenkten Gläsern zurück Also eigentlich an der Stelle auch alles ok.
Nach dem ersten Krankenhausaufenthalt von 6 Wochen, war ich der Star auf dem Pausenhof. Alle Freunde sassen neben mir und schauten mit auf den Pausenhof, wo alle Spielten. Ich durfte mich noch nicht beteiligen, selbst lesen war verboten um die Augen nicht zu viel zu bewegen. Sie sassen neben mir, sie wollten nicht das ich mich ausgeschlossen fühlte. Das war toll! Eine dunklere Sonnenbrille half gegen die Helligkeit. Ab und an, wenn es abends dunkel war, habe ich mir eine Lupe vors Auge gehalten und konnte damit sogar scharf sehen. (Nebenbei bemerkt, mein rechtes Auge war damals sehr gut und hatte 180% Sehvermögen, was alle Augenärzte so erstaunte, das sie mich immer wieder fragten ob ich die Zahlen und Buchstaben auswendig gelernt hätte
Einaeugigkeit
In der ersten Zeit musste ich mich an das fehlen der räumlichen Wahrnehmung gewoenhen.
Treppen
Treppen herunter laufen feuerte immer wieder zum stolpern, da ich die Abstände der Stufen nicht einschätzen konnte. Heute ist das Überhaut kein Problem mehr. Heute würde ich Treppen eher nicht runterrennen, weil die Knie das nicht mehr mitmachen:-)
Getränke eingiessen
Das Eingiessen von Tee aus einer Kanne, das eingiessen von Wasser in ein Glas querten immer zu einer Überschwemmung. Heute setze ich die Flasche/Kanne einfach am Glas/Tasse an und wenn es anstösst weiss ich das ich über der Öffnung bin. Bei Restaurantbesuchen oder teuren Gläsern schaue ich von oben auf die Öffnung und sehe dann auch ohne Berührung ob ich darüber bin, ohne also teure Gläser am Rand kaputt stossen zu müssen.
Pseudoräumliches sehen
Wenn ich Abstände einschätzen muss bewege ich oft den Kopf ein wenig hin und her und sehe dann, durch die Verschiebung von Vordergrund zu Hintergrund, kurzzeitig räumliche Tiefe. Jedenfalls kann ich so bis etwa sieben Metern Abstände gut einschätzen.
Badminton Spielen, nach gehör
Selbst Badminton kann ich ganz gut spielen. Allerdings nur in einer ruhigen Umgebung. Offensichtlich schätze ich, unbewusst, den Abstand zum Spielball durch das Geräusch sehr gut ein. Allerdings kann man mich austricksen. Schmetterbälle, die sind laut, bekomme ich alle. Stoppbälle hingegen machen kaum Geräusche und die verfehle ich dann meist.
Eingeschraenktes Gesichtsfeld
Das ich Linksseitig ein eingeschränktes Gesichtsfeld habe vergesse ich meist. Ich laufe immer auf der linken Seite, wenn ich mit Freunden unterwegs bin. Auch habe ich einen "Ausfallschritt" hinter einem Menschen vorbei, um schnell die Seite nach links zu wechseln, wenn mal wieder einer auf der rechten Seite von mir läuft. Das bekommen die wenigsten noch bewusst mit.
Nur ein Freund von mir ist taub auf dem linken Ohr. Auch er macht genau den gleichen Ausfallschritt. Am Anfang haben wir uns ständig gegenseitig umrundet. Wir haben uns drauf geeinigt, das ich links laufen darf, damit ich sehe wenn es abbiegt oder stehen bleibt und dafür rede ich sehr lauf auf der Strasse. Im Restaurant oder wenn wir sonst wo sitzen, dann möglichst gegenüber. So kann ich ihn sehen und er mich hören
Einaeugiges Autofahren oder Motorradfahren
Einige berichten, das sie beim autofahren Probleme haben. Ich nicht. Ab und an übersehe ich etwas, das von Links kommt. Einen Unfall hatte ich aber deshalb noch nie. Ich fahre altersbedingt (Lach: Midlifekrise?!) einen Sportwagen und liebe es auch sehr schnell zu fahren (ich gestehe) und bei hohen Geschwindigkeit ist es ohnehin völlig egal ob man ein oder zwei Augen hat, da einem ab 10 Metern Abstand auch ein zweites Auge nicht hilft den Anstand besser ein zu schätzen. Und bei höheren Geschwindigkeiten sollte man schon weiter vorausschauen.
Auch das einschätzen einer Parkbucht ist kein Problem. Im Vorbeifahren verschieben sich Vordergrund und Hintergrund so gegeneinander, das ich die Abstände daraus nicht nur Abschätzen, sondern "sehen" kann... . Also: Alles Problemlos.
Auch fahre ich Motorrad. Ich halte schlicht meinen Kopf leicht nach links gedreht um das fehlende Gesichtsfeld etwas zu kompensieren. Ich rase nicht, fahre sehr zurückhaltend, vorausschauend. Das sollte ein Motorradfahrer ohnehin tun. Bisher unfallfrei.
Was ich sagen will: Das ich nur ein funktionierendes Auge habe war anfänglich etwas ungewohnt und schon sehr bald habe ich für alles ausgleichende Tricks gefunden. Überhaupt kein Problem mehr.
Medizinische spätere Komplikationen
Schon im ersten Jahr nach dem Unfall fing meine Narbe im Gesicht an extrem zu schrumpfen. Mein Körper neigt wohl dazu. Hierdurch wurden die Augenlieder auseinander gezogen. Ich hatte keinen Liedschluss mehr. Das Auge stand auch nachts sehr wie offen. Schlafen ging nur mit einem "Uhrglasverband", sonst wäre es über nacht ausgetrocknet. Cortisonbehandlung, etc.
Leider schrumpften auch die Narben auf der Netzhaut. Es folgten zwei Operationen bei der die Netzhaut wieder angelegt wurde, die durch die Narben abgerissen wurde. Erfolglos. Grossflächige Netzhautabloesung war die Folge. Nur noch hell dunkel an einigen wenigen stellen der Netzhaut konnte ich wahrnehmen. Die Hoffnung irgendwann mit einer Kontaktlinse doch wieder sehen zu können war dahin. Ich fand es aber nicht so schlimm. Ich kann ja trotzdem sehen.
Zudem war damit die sehr schmerzhafte Lichtüberempfindlichkeit endlich nicht mehr da. Also insgesamt eher eine Erleichterung
In den darauffolgenden Jahren stieg der Augeninnendruck. Insgesamt 3 Operationen mit Vereisung der Flüssigkeit produzierten Zellen im Augeninneren um den Druck wieder zu senken. Erfolglos.
Seit her immer mal wieder Druckattacken. Augen zu. Hinlegen. Abwarten. Kopfschmerzen aushalten. Manchmal auch zwei Tage am Stück.
Aber alles so, das es dennoch auszuhalten war. Ich habe mich ein wenig daran gewöhnt.
Vor allem Lesen triggert das auch heute noch. Ich habe manchmal das Gefühl, das das Auge so groß wie ein Tennisball ist und fühle den Druck. Was etwas hilft: Atropintropfen. Habe da ein Dauerrezept.
Jugend und Aussehen
Das mein Auge eigentlich immer schon graublau ist und ich eine grosse lange Narbe senkrecht über die Wange und bis zur Augenbraue habe hat mich nie gestört, Wasser zu der Zeit, wo die Narbe so stark geschrumpft war, das das Auge sehr entstellt war durch das "Aufgerissene" Auge, das schon verboten aussah, was nach der Cortisonbehandlung aber wieder ok war. Da war ich ja auch erst ca. 11 Jahre.
Durch den hohen Augeninnendruck, meist so um die 40, manchmal höher, ist die Hornhaut, die von einer Schicht Zellen auf der Innenseite mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Hornhaut ist im laufe der Jahre immer trüber geworden. Graublau.
Erste sexuelle Aktivitäten und Flirten
Meine Narbe und das graublaue Auge, das sich aber völlig synchron mit dem gesunden bewegt, waren nie ein grosses Thema. Ich stehe auf Männer und es gab mir immer ein etwas verruchtes Aussehen, was oft sehr gut ankommt. Es ist auch ein guter einstieg in ein Gespräch. "Was hast du denn da?". "Was ist denn dir Passiert?" Etc. Auch waren mal Bemerkungen dabei wie: "WOW! Wo hast du denn das Auge her? Das sieht ja krass aus. (Es leuchtet leicht bei Schwarzlicht). Wo kann man sowas machen lassen? Und wie teuer ist das? Als ich meinte das das n Unfall war, fiel dem Gegenüber das Gesicht fast bis zum Boden. Ich finde das dann eher Lustig. Und ein Lachen an der Stelle befreit auch das Gegenüber aus der Peinlichkeit:-)
Reaktionen anderer aus mein Aussehen
Allerdings fand ich es manchmal schon nervend, drei bis fünf mal am Tag erzählen zu müssen, wie es kam und was mein Bruder da veranstaltet hatte. Im Laufe der letzten Jahre, eigentlich seit ich so etwa 40 bin, fragt kaum noch einer. Evtl. trauen sich Menschen das bei älteren Mitmenschen nicht so sehr wie bei jüngeren? Evtl. habe ich mich auch verändert? Ich weiss es nicht. Jedenfalls fällt das "Siezen" und das nicht mehr "nachfragen" zeitlich zusammen ,-)
Immer wieder werde ich auf der Strasse angeglotzt. Das nehme ich aber meist nicht mal mehr zur Kenntnis. Die Meisten die ich kennenlerne fragen einmal. Ich erzähle meine Geschichte und spätestens nach einer halben Stunde sehen sie nur noch in mein gesundes Auge und sagen selber, das sie mein kaputtes Auge garnicht mehr wahrnehmen. Ich denke eigentlich auch so gut wie nie daran, ausser es tut weh.
Erste Idee zu Augenentfernung und Unsicherheit darüber
Vor einigen Jahren wurde es aber immer schlimmer. Bläschen auf der Hornhaut können durch Wind, kalte Luft oder Müdigkeit entstehen. Das ist dann sehr schmerzhaft geworden. Vor allem wenn das Augenlied darüber fährt.
Ich wollte es eigentlich entfernen lassen. Wäre mir gleich gewesen. Glasauge wäre ok gewesen. Allerdings habe ich damit ein einziges Problem. Mein jetziges Auge bewegt sich sehr schön mit. Es ist blaugrau und alle können sehen, das es Blind ist. Ich selber und viele andere stören sich aber nicht daran und ich finde mich so wie es ist ok, irgendwie ist es auch "Sexy", etwas verrucht. Es macht mich auch, zumindest optisch, eher besonders. Ich bekomme Aufmerksamkeit und ab und an auch Mitleid, was ja auch ganz gut tun kann.
Ein Glasauge bewegt sich nicht so gut mit und wenn man ums Eck schaut bewegt sich das Glasauge nicht gut mit. Also "schielt" mann damit. Und damit habe ich tatsächlich ein grosses Problem. Ich weiss, das ich Menschen die Schielen immer anglotzen muss. (Obwohl ich es selber nicht mag so angesehen zu werden). Wahrscheinlich auch deshalb habe ich damals einen Okularisten aufgesucht.
Okularisten in "Panik" versetzen
Meine Idee: Ich könnte mir sehr, sehr gut vorstellen, das ein Glasauge nach meinem jetzigen blinden Auge gestaltet wird. Blaugrau mit leichten schlieren. (Es dürften etwas weniger schlieren sein als jetzt. Und auch der Augapfel dürfte etwas weniger gerötet sein.)
Auch kenne ich mich eigentlich nur so im Spiegel und kann mich nicht erinner, wie ich mit zwei gesungen Augen aussehe. Ich weiss wie Menschen auf mich reagieren und ich kann sehr gut damit umgehen.
Das Schielen mit einem Glasauge, das aussieht wie ein echtes, Gaube ich zumindest, verunsichert mein Gegenüber. Und ich denke immer, das die mich für blöde halten oder für behindert. Das macht mir grosse Unsicherheit.
Als ich deshalb bei einem Okularisten war und ihn schliesslich auch fragte oben er ein Auge machen könne, das so aussieht wie mein krankes (schliesslich gibt es im Namen der Rose auch den Blinden und der Schauspieler trägt mit Sicherheit auch eine Schale über seinen eigenen Augen, die ja irgendwer angefertigt hat) da rastet er aus und läuft wie wild im Raum umher und kann sich kaum beruhigen.
"Wie schaut das denn aus? Das ist ja furchtbar? Hässlich! Nein, das mache ich nicht! Was sollen denn die Ärzte denken?"
Echt jetzt? Immerhin ist es ja mein jetziges Aussehen. Hässlich? Nein! Ich finde es gut und einzigartig so wie es ist. Und ich kenne mich nur so. Ich würde gerne so bleiben wie ich bin. So dachte ich selber.
Aber gut. Es ist wohl so in seiner Berufsehre gekränkt gewesen, das er sich das beim besten willen nicht vorstellen konnte, das das mein Wunsch ist. Aber: Ich denke das mein Wusch stärker wiegt als seine Berufsehre. Einen weiteren Okularisten habe ich aber nicht mehr aufgesucht, da ein damaliger Augenarztbesuch und der Besuch der Uniklinik meine Recherche an der Stelle unterbrochen hatte.
Hornhaut wieder in Ordnung bringen
Bei den Besuchen bei meiner alten Augenärztin und der Überweisung in die Klinik Koeln-Mehrheim, wo ich schon so oft operiert wurde, gab es eine weitere Option, die die Amputation evtl. unnötig machen würde: Eine Operation bei der ein Entkalkungsmittel, also Säure, auf der Hornhaut zur "Entkalkung" gegeben wurde. Bei der OP, lokal betäubt, hatte ich zum ersten mal einen Eindruck, wie hoch der Augendruck tatsächlich ist. Ich hörte, wie das Skalpell auf der Hornhaut richtig den Kalk abkratzte, wie es sich eben anhört, wenn man mit Metall auf Stein kratzt. Ich dachte, das das Auge viel weicher ist und nachgibt. Die Hornhaut war aber offensichtlich Bretthart, beziehungsweise Steinhart, um im Bild zu bleiben.
Das hat mir sehr eindrücklich demonstriert, wie ein hoher Augendruck tatsächlich ist
(Es war ja unter Betäubung, hat also nicht weh getan, falls jetzt einige einen Schreck haben sollten.)
Erneute Schmerzen
Danach war es wieder Länger ok. Es bildeten sich aber im laufe eines Jahres wieder erste Kalkablagerungen.
Meine sehr sehr gute Augenärztin der letzten Jahrzehnte hat mich immer wieder in die unterschiedlichen Kliniken verwiesen, wenn es nötig war und immer sehr gut betreut. Jetzt fängt es wieder an öfters weh zu tun. Kopfschmerzen, Bindehautentzündungsgefühl, Brennen der Hornhaut, Fremdkörpergefuehl auf der Hornhaut sind fast an der Tagesordnung. Ich denke, das ich auch oft einfach gelernt habe das zu ignorieren. Seit Dezember führe ich jetzt mal ein "Schmerztagebuch" und stelle fest, das ich tatsächlich fast täglich Schmerzen habe. zwischendrin aber auch mal vier oder fünf Tage völlig Beschwerdefrei. Mal nur kurzfristig. Nie wirklich unaufhaltbar. Schmerzmittel nehme ich keine. Der doch...
Aktueller psychischer Stand
Nach Corona habe ich mich sehr aggressiv anderen Menschen gegenüber verhalten. Auch Kunden gegenüber. Mein Kompagnon hat sich drastisch bei mir beschwert. Also habe ich aus aktuellem Anlass einen Psychologen aufgesucht, den ich nur wärmstens empfehlen kann. Bei der Gelegenheit habe ich dann auch gleich mal das Thema mit meinem Bruder angesprochen. Verstecken ging ja eh nicht, da er natürlich gleich fragte, was mit meinem Auge sei
Dabei ist mir aufgefallen, das mein Bruder mich als Säugling mit einer Schnur um den hals bereits an der Gardine erhängt hatte und mich meine Mutter noch rechtzeitig gefunden hatte, ich war bereits blau angelaufen. Sie suchte mich, weil es so auffallen still war. (Mein Bruder ist nur elf Monate älter als ich). Und er krabbelte gerade vom Vorhang weg und da schaute sie dahinter.
Auch hat er mich als ich ca. neun war beim Spielen schwer am Rücken verletzt. Längere Geschichte. Ich sprang von einer hohen Mauer auf ein Brett, das wie eine Wippe aufgestellt war, um meinen Bruder in die Luft zu katapultieren. Hatten wir im TV im Zirkus gesehen. Und bei der x-ten Wiederholung meinte er, die Höhe wurde stets gesteigert, ich solle mich viel steifer machen. Ich sprang und im letzten Moment sprang er zur Seite. Ich landete stocksteif aus ca. drei meter Höhe auf einem Brett, das keinen Widerstand mehr bot... . Ungespitzt in den Betonboden gerammt, sozusagen. Habe heute noch gerne Rückenschmerzen... .
Das er mit mit einer Holzlatte im Spiel auf die Nase schlug und das Blut in einem grossen Bogen aus dem Nasenrücken schoss ist nur eine weitere Geschichte. Eine Nachbarin brachte mich sofort zum Arzt in der Strasse gegenüber, der mich wieder zu Nähte. Das ich danach kaum noch Luft durch die Nase bekam war nicht aufgefallen. Erst in der Therapie wurde mir das klar. Habe also Anfang dieses Jahres eine Nasen-OP machen lassen. Jetzt kann ich auch durch die Nase atmen Sehr befreiendes Gefühl.
Das ich immer wieder schmerzen im Auge habe und die Hornhaut so langsam an wieder zicken macht, auch wenn noch nicht so schlimm wie schon einmal vor der letzten OP, ist gerade Thema. "Kein Mensch muss andauernd Schmerzen erdulden...", sagte er... . Und ich glaube er hat recht. Allerdings bin ich an der Stelle sehr empfindlich. Er stimuliert mich sehr die alte Idee, das Auge entfernen zu lassen, neu an zu gehen. Für meinen Geschmack etwas zu sehr.
Daher meine Idee des Schmerztagebuches. Und ja, es ist dann doch fast täglich. Dennoch bin ich noch nicht so überzeugt wie vor der letzten OP, das es jetzt einfach Zeit wird es raus zu holen.
Schielen als psychisches Problem?
Es bleibt der Punkt mit dem "Schielen", was ich weitaus schlimmer finde als ein graublaues, blindes Auge, das sich aber sehr sehr schön mitbewegt.
Auch finde ich ein verändertes Aussehen problematisch. Ich mag mich so wie ich bin. Und ich weiss mit anderen und der Situation um zu gehen. Ich kann mit noch nicht so richtig vorstellen wieder zwei braune Augen zu haben.
Andererseits. Seit einiger Zeit trage ich ohnehin eine Gleitsichtbrille. Und die zwing mich ohnehin häufiger den Kopf auf das aus zu richten, was ich ansehen möchte...? Evtl. stelle ich mir das mit dem Schielen viel zu heftig vor? Evtl. überwiegt auch ein "normales" Auge und ist das schielen ja nicht so schlimm? Evtl. reagieren Menschen nicht darauf?
Andererseits sehe ich immer sofort, wenn einer ein Glasauge hat. Zumindest bei denen, wo es sich eben nicht richtig mitbewegt. Ich habe schon bei Youtube geschaut. Aber es gibt meist nur Filmchen, wie ein Auge hergestellt oder wie es rein und raus gemacht wird. Aber filmchen, wie sich ein Glasauge genau bewegt habe ich kaum gefunden...?
Habt ihr da einen Link für mich? Wohnt jemand in Köln, den ich gerne mal zum Kaffee einlade und wo ich mich überzeugen kann, das man es nach einer halben Stunde ohnehin nicht mehr merkt, das das gegenüber ein Glasauge hat? Das würde sicher helfen?
Auch meint mein Psychologe, das es evtl. sein könnte, das der Ersatz durch ein schmerzfreies Glasauge, wovon ich mittlerweile ausgehe, dank eurer zahlreichen Berichte, mich einen Schlussstrich unter ewig neue Operationen und schmerzen ziehen lässt.
Trauma des Unfalls
Auch könne es sein, das ich das Auge derzeit nicht mehr so einfach rausnehmen lassen möchte, da mein Bruder mich noch vor wenigen Jahren, als er eine Pleite hingelegt hatte, danach völlig übers Ohr gehauen hatte. Er hat mich nach meiner Finanziellen unterstuetzung um mehr als 20.000 Euro betrogen.
Vor diesem Betrug hatte ich kaum Probleme mit dem "Unfall". Ich hatte ein Problem damit, das er sich nicht entschuldigt hatte, das er so dumm war mir die Flasche trotz anschreien und Warnung vor der Explosion unter die Nase gehalten hatte. Das habe ich mit ihm im alten von ca. 20 Jahren mal besprochen. Wenig erfolgreich. Aber danach war es für mich "gegessen".
Aus seiner heutigen Sicht, also noch mal 35 Jahre später, wurde er nach dem Unfall von der gesamten Familie ungerecht behandelt und ich immer bevorzugt. Er wollte einfach eine ausgleichende Gerechtigkeit. Seit dem kann ich nicht mal mehr glauben, das es ein Kinderunfall war. Meine Sicht hat sich dahingehend geändert, das er wusste was passiert, wenn er das macht. Ich habe es, ja, mit neun Jahren, schließlich auch gewusst. Erst in der Therapie wurden mir die andern "Attacken" wieder bewusst.
Dennoch bin ich jetzt doch wieder auf gutem Wege diesen Vorfall als "Unfall" zu sehen. Auch wenn mein Bruder die Situation dahin ausnutzte mich in Todesangst zu versetzen. Nur so als Jungenstreich. Und das ist ärgerlich genug, aber aus einer föllig kranken Familiengeschichte nachvollziehbar.
Mein Bruder wollte mich immer schon "loswerden". Er wurde in eine sehr kranke Familie hineingebohren, wo es kaum etwas positives gab. Und das wenige musste er schon sehr sehr früh auch noch mit mir teilen.
Als der Unfall war, hatte er keine chance mit seiner "Schuld" um zu gehen. Statt dessen hat er gesehen, das ich später finanziell unterstützt wurde um im Ausland zu studieren und er nicht.
Dieses "Unrecht an Ihm" hat er dann durch Betrügereien "auszugleichen" versucht.
Ich denke, das er es nie geschafft hat mit seiner "Schuld" adäquat um zu gehen. Seine Wohnung gleicht der eines Messies. Ich hoffe er kann seinen Frieden machen.
In wie weit also das Festhalten an meinem Auge eine "andauernde Warnung" an meinen Bruder ist und ich deshalb nicht loslassen kann, obwohl ich das schon mal konnte, oder ob das nur eine Interpretation meines Therapeuten ist hinter der ich nicht stehe, weiss ich noch nicht. Ich werde berichten.
Jedenfalls will ich mir da drüber erst im klaren sein, bevor ich es aus falschen Gründen herausnehmen lasse, nur weil mein Therapeut das meint. Will ich also noch klären, bevor es soweit ist.
Aussichten
Nächste Woche erst noch mal zum Augenarzt und viele medizinische Fragen klären, die ich hier zusammengetragen habe.
Dann Termin mit einem anderen Okularisten wegen Herstellungsmöglichkeiten eines "blinden Glasauges". Alternativ kann ich ja mal sehen, wie ich mit einem "normalen" Glasauge zurechtkomme und mir die Option des "blinden Glasauges" noch offen halten, sollte mich ein normales Auge doch "stören". Aber evtl. gibt es die Alternative eines "blinden Glasauges" ja, was für mich schon mal beruhigend sein könnte.
Ich habe hier viel gelesen und mir eine Liste von Fragen gemacht, die ich nächste Woche mit meiner neuen Augenärztin besprechen möchte und natürlich auch mit meinem Therapeuten.
Daher dieser sehr lange Bericht, der Hoffentlich auch anderen Usern und zukünftigen etwas hilft, bei der Entscheidungsfindung und bei Fragen, die sie sich selber vielleicht noch nicht gestellt haben.
Ich werde berichten, was in der nächsten Zeit so alles passiert und wie es sich entwickelt.
Evtl. habt ihr ja schon die eine oder andere Antwort?
Nach nächste Woche werde ich jedenfalls noch eine menge Fragen haben.
lg
Oliver
Ich bin Oliver aus Koeln, 55 Jahre und beabsichtige hier meinen Weg zum Glasauge (oder auch nicht) zu beschreiben. Im Moment spiele ich, mal wieder, mit der Idee mein blindes Auge entfernen zu lassen.
Hierbei habe ich noch einige Fragen und Unsicherheiten, die ich in näherer Zukunft abklären möchte. Ich habe in den letzten Tagen fast das gesamte Forum durchstöbert und mir viele Fragen notiert die sich daraus ergaben um diese nächste Woche bei meiner (neuen) Augenärztin und wohl auch im Anschluss hier zu diskutieren.
Unfall
Es war zwei Tage vor meinem 10ten Geburtstag, ich lief von unserem Kinderzimmer zum Treppenhaus um eine Etage tiefer, in der Küche, etwas zu Trinken zu holen. Mein Bruder, damals 11 Jahre, experimentierte am Fenster zu einem Flachdach, wo er WC-Reiniger und Wasser in eine Glasflasche gefüllt hatte. Ich fragte was er da mache. Er berichtete mir und ich verstand sofort: Die Flasche wird gleich explodieren (Schaumbildung und dadurch Überdruck in der Flasche).
Ich schrie ihn an er solle die Flasche sofort aus dem Fenster schmeissen, drehte mich mit dem Rücken zu ihm, hielt die Hände vor mein Gesicht und bückte mich. Das letzte was ich sah, war die Flasche, direkt vor meinen Augen, die mir mein Bruder unter die Nase hielt.
Ich erinnere mich, das ich "wach" wurde von meinem eigenen schreien, öffnete die Augen und sah, meine blutigen Hände.
Ich habe noch einige Erinnerungsfetzen, bevor ich zu meinem Geburtstag zweit Tage später wieder die Augen öffne und auf dem Bettschränkchen im Krankenhaus einen Geburtstagskuchen sah... .
Ausgangsdiagnose und kurzfristige psychologische Folgen
Das Auge war glatt durchschnitten. Wurde aber wieder zusammengeflickt. Glaskörper war verloren und durch Silikon ersetzt. Ein Ring aus Silikon um das Auge gelegt um es zu stabilisieren. Der Ring ist heute noch um das Auge gelegt.
Ein Grossteil der Iris war verloren und ich dadurch extrem Lichtempfindlich. Die ersten zwei Jahre bin ich kaum rausgegangen wenn es hell war. Ich konnte die Augen kaum öffnen, so schmerzhaft.
Die Linse war auch zerstört. Die Netzhaut funktionierte noch. Mit Linse (Brillenglas oder Kontaktlinse, hätte ich sogar recht gut sehen können auf dem Auge, was aber immer nur bei Untersuchungen der Fall war. Es war eine Kontaktlinse geplant, die ich aber wegen Komplikationen nie erhalten habe.
Eine narbe Quer durchs Gesicht zeugte davon, wie viel Glück ich hatte, das ich überlebt habe.
Im Verlauf der Jahre hatte ich zunächst panische Angst vor allen Sprühdosen, Deos, Farbdosen und vor allem aber Sektflaschen. Diese Angst habe ich heute immer noch ab und an.
Dennoch habe ich mir das Tauchen als Hobby gesucht und gehe selbst mit 200 Bar Pressluft gefüllten Tauchtanks ins Wasser. Dabei kann ich die Angst heute fast völlig vergessen. Soweit wieder ok.
Zu Sylvester kann ich zwar eine Flasche Sekt öffnen aber lieber überlasse ich das anderen, mein Mann weiss das und er geht meist in die Küche und kommt mit eingeschenkten Gläsern zurück Also eigentlich an der Stelle auch alles ok.
Nach dem ersten Krankenhausaufenthalt von 6 Wochen, war ich der Star auf dem Pausenhof. Alle Freunde sassen neben mir und schauten mit auf den Pausenhof, wo alle Spielten. Ich durfte mich noch nicht beteiligen, selbst lesen war verboten um die Augen nicht zu viel zu bewegen. Sie sassen neben mir, sie wollten nicht das ich mich ausgeschlossen fühlte. Das war toll! Eine dunklere Sonnenbrille half gegen die Helligkeit. Ab und an, wenn es abends dunkel war, habe ich mir eine Lupe vors Auge gehalten und konnte damit sogar scharf sehen. (Nebenbei bemerkt, mein rechtes Auge war damals sehr gut und hatte 180% Sehvermögen, was alle Augenärzte so erstaunte, das sie mich immer wieder fragten ob ich die Zahlen und Buchstaben auswendig gelernt hätte
Einaeugigkeit
In der ersten Zeit musste ich mich an das fehlen der räumlichen Wahrnehmung gewoenhen.
Treppen
Treppen herunter laufen feuerte immer wieder zum stolpern, da ich die Abstände der Stufen nicht einschätzen konnte. Heute ist das Überhaut kein Problem mehr. Heute würde ich Treppen eher nicht runterrennen, weil die Knie das nicht mehr mitmachen:-)
Getränke eingiessen
Das Eingiessen von Tee aus einer Kanne, das eingiessen von Wasser in ein Glas querten immer zu einer Überschwemmung. Heute setze ich die Flasche/Kanne einfach am Glas/Tasse an und wenn es anstösst weiss ich das ich über der Öffnung bin. Bei Restaurantbesuchen oder teuren Gläsern schaue ich von oben auf die Öffnung und sehe dann auch ohne Berührung ob ich darüber bin, ohne also teure Gläser am Rand kaputt stossen zu müssen.
Pseudoräumliches sehen
Wenn ich Abstände einschätzen muss bewege ich oft den Kopf ein wenig hin und her und sehe dann, durch die Verschiebung von Vordergrund zu Hintergrund, kurzzeitig räumliche Tiefe. Jedenfalls kann ich so bis etwa sieben Metern Abstände gut einschätzen.
Badminton Spielen, nach gehör
Selbst Badminton kann ich ganz gut spielen. Allerdings nur in einer ruhigen Umgebung. Offensichtlich schätze ich, unbewusst, den Abstand zum Spielball durch das Geräusch sehr gut ein. Allerdings kann man mich austricksen. Schmetterbälle, die sind laut, bekomme ich alle. Stoppbälle hingegen machen kaum Geräusche und die verfehle ich dann meist.
Eingeschraenktes Gesichtsfeld
Das ich Linksseitig ein eingeschränktes Gesichtsfeld habe vergesse ich meist. Ich laufe immer auf der linken Seite, wenn ich mit Freunden unterwegs bin. Auch habe ich einen "Ausfallschritt" hinter einem Menschen vorbei, um schnell die Seite nach links zu wechseln, wenn mal wieder einer auf der rechten Seite von mir läuft. Das bekommen die wenigsten noch bewusst mit.
Nur ein Freund von mir ist taub auf dem linken Ohr. Auch er macht genau den gleichen Ausfallschritt. Am Anfang haben wir uns ständig gegenseitig umrundet. Wir haben uns drauf geeinigt, das ich links laufen darf, damit ich sehe wenn es abbiegt oder stehen bleibt und dafür rede ich sehr lauf auf der Strasse. Im Restaurant oder wenn wir sonst wo sitzen, dann möglichst gegenüber. So kann ich ihn sehen und er mich hören
Einaeugiges Autofahren oder Motorradfahren
Einige berichten, das sie beim autofahren Probleme haben. Ich nicht. Ab und an übersehe ich etwas, das von Links kommt. Einen Unfall hatte ich aber deshalb noch nie. Ich fahre altersbedingt (Lach: Midlifekrise?!) einen Sportwagen und liebe es auch sehr schnell zu fahren (ich gestehe) und bei hohen Geschwindigkeit ist es ohnehin völlig egal ob man ein oder zwei Augen hat, da einem ab 10 Metern Abstand auch ein zweites Auge nicht hilft den Anstand besser ein zu schätzen. Und bei höheren Geschwindigkeiten sollte man schon weiter vorausschauen.
Auch das einschätzen einer Parkbucht ist kein Problem. Im Vorbeifahren verschieben sich Vordergrund und Hintergrund so gegeneinander, das ich die Abstände daraus nicht nur Abschätzen, sondern "sehen" kann... . Also: Alles Problemlos.
Auch fahre ich Motorrad. Ich halte schlicht meinen Kopf leicht nach links gedreht um das fehlende Gesichtsfeld etwas zu kompensieren. Ich rase nicht, fahre sehr zurückhaltend, vorausschauend. Das sollte ein Motorradfahrer ohnehin tun. Bisher unfallfrei.
Was ich sagen will: Das ich nur ein funktionierendes Auge habe war anfänglich etwas ungewohnt und schon sehr bald habe ich für alles ausgleichende Tricks gefunden. Überhaupt kein Problem mehr.
Medizinische spätere Komplikationen
Schon im ersten Jahr nach dem Unfall fing meine Narbe im Gesicht an extrem zu schrumpfen. Mein Körper neigt wohl dazu. Hierdurch wurden die Augenlieder auseinander gezogen. Ich hatte keinen Liedschluss mehr. Das Auge stand auch nachts sehr wie offen. Schlafen ging nur mit einem "Uhrglasverband", sonst wäre es über nacht ausgetrocknet. Cortisonbehandlung, etc.
Leider schrumpften auch die Narben auf der Netzhaut. Es folgten zwei Operationen bei der die Netzhaut wieder angelegt wurde, die durch die Narben abgerissen wurde. Erfolglos. Grossflächige Netzhautabloesung war die Folge. Nur noch hell dunkel an einigen wenigen stellen der Netzhaut konnte ich wahrnehmen. Die Hoffnung irgendwann mit einer Kontaktlinse doch wieder sehen zu können war dahin. Ich fand es aber nicht so schlimm. Ich kann ja trotzdem sehen.
Zudem war damit die sehr schmerzhafte Lichtüberempfindlichkeit endlich nicht mehr da. Also insgesamt eher eine Erleichterung
In den darauffolgenden Jahren stieg der Augeninnendruck. Insgesamt 3 Operationen mit Vereisung der Flüssigkeit produzierten Zellen im Augeninneren um den Druck wieder zu senken. Erfolglos.
Seit her immer mal wieder Druckattacken. Augen zu. Hinlegen. Abwarten. Kopfschmerzen aushalten. Manchmal auch zwei Tage am Stück.
Aber alles so, das es dennoch auszuhalten war. Ich habe mich ein wenig daran gewöhnt.
Vor allem Lesen triggert das auch heute noch. Ich habe manchmal das Gefühl, das das Auge so groß wie ein Tennisball ist und fühle den Druck. Was etwas hilft: Atropintropfen. Habe da ein Dauerrezept.
Jugend und Aussehen
Das mein Auge eigentlich immer schon graublau ist und ich eine grosse lange Narbe senkrecht über die Wange und bis zur Augenbraue habe hat mich nie gestört, Wasser zu der Zeit, wo die Narbe so stark geschrumpft war, das das Auge sehr entstellt war durch das "Aufgerissene" Auge, das schon verboten aussah, was nach der Cortisonbehandlung aber wieder ok war. Da war ich ja auch erst ca. 11 Jahre.
Durch den hohen Augeninnendruck, meist so um die 40, manchmal höher, ist die Hornhaut, die von einer Schicht Zellen auf der Innenseite mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Hornhaut ist im laufe der Jahre immer trüber geworden. Graublau.
Erste sexuelle Aktivitäten und Flirten
Meine Narbe und das graublaue Auge, das sich aber völlig synchron mit dem gesunden bewegt, waren nie ein grosses Thema. Ich stehe auf Männer und es gab mir immer ein etwas verruchtes Aussehen, was oft sehr gut ankommt. Es ist auch ein guter einstieg in ein Gespräch. "Was hast du denn da?". "Was ist denn dir Passiert?" Etc. Auch waren mal Bemerkungen dabei wie: "WOW! Wo hast du denn das Auge her? Das sieht ja krass aus. (Es leuchtet leicht bei Schwarzlicht). Wo kann man sowas machen lassen? Und wie teuer ist das? Als ich meinte das das n Unfall war, fiel dem Gegenüber das Gesicht fast bis zum Boden. Ich finde das dann eher Lustig. Und ein Lachen an der Stelle befreit auch das Gegenüber aus der Peinlichkeit:-)
Reaktionen anderer aus mein Aussehen
Allerdings fand ich es manchmal schon nervend, drei bis fünf mal am Tag erzählen zu müssen, wie es kam und was mein Bruder da veranstaltet hatte. Im Laufe der letzten Jahre, eigentlich seit ich so etwa 40 bin, fragt kaum noch einer. Evtl. trauen sich Menschen das bei älteren Mitmenschen nicht so sehr wie bei jüngeren? Evtl. habe ich mich auch verändert? Ich weiss es nicht. Jedenfalls fällt das "Siezen" und das nicht mehr "nachfragen" zeitlich zusammen ,-)
Immer wieder werde ich auf der Strasse angeglotzt. Das nehme ich aber meist nicht mal mehr zur Kenntnis. Die Meisten die ich kennenlerne fragen einmal. Ich erzähle meine Geschichte und spätestens nach einer halben Stunde sehen sie nur noch in mein gesundes Auge und sagen selber, das sie mein kaputtes Auge garnicht mehr wahrnehmen. Ich denke eigentlich auch so gut wie nie daran, ausser es tut weh.
Erste Idee zu Augenentfernung und Unsicherheit darüber
Vor einigen Jahren wurde es aber immer schlimmer. Bläschen auf der Hornhaut können durch Wind, kalte Luft oder Müdigkeit entstehen. Das ist dann sehr schmerzhaft geworden. Vor allem wenn das Augenlied darüber fährt.
Ich wollte es eigentlich entfernen lassen. Wäre mir gleich gewesen. Glasauge wäre ok gewesen. Allerdings habe ich damit ein einziges Problem. Mein jetziges Auge bewegt sich sehr schön mit. Es ist blaugrau und alle können sehen, das es Blind ist. Ich selber und viele andere stören sich aber nicht daran und ich finde mich so wie es ist ok, irgendwie ist es auch "Sexy", etwas verrucht. Es macht mich auch, zumindest optisch, eher besonders. Ich bekomme Aufmerksamkeit und ab und an auch Mitleid, was ja auch ganz gut tun kann.
Ein Glasauge bewegt sich nicht so gut mit und wenn man ums Eck schaut bewegt sich das Glasauge nicht gut mit. Also "schielt" mann damit. Und damit habe ich tatsächlich ein grosses Problem. Ich weiss, das ich Menschen die Schielen immer anglotzen muss. (Obwohl ich es selber nicht mag so angesehen zu werden). Wahrscheinlich auch deshalb habe ich damals einen Okularisten aufgesucht.
Okularisten in "Panik" versetzen
Meine Idee: Ich könnte mir sehr, sehr gut vorstellen, das ein Glasauge nach meinem jetzigen blinden Auge gestaltet wird. Blaugrau mit leichten schlieren. (Es dürften etwas weniger schlieren sein als jetzt. Und auch der Augapfel dürfte etwas weniger gerötet sein.)
Auch kenne ich mich eigentlich nur so im Spiegel und kann mich nicht erinner, wie ich mit zwei gesungen Augen aussehe. Ich weiss wie Menschen auf mich reagieren und ich kann sehr gut damit umgehen.
Das Schielen mit einem Glasauge, das aussieht wie ein echtes, Gaube ich zumindest, verunsichert mein Gegenüber. Und ich denke immer, das die mich für blöde halten oder für behindert. Das macht mir grosse Unsicherheit.
Als ich deshalb bei einem Okularisten war und ihn schliesslich auch fragte oben er ein Auge machen könne, das so aussieht wie mein krankes (schliesslich gibt es im Namen der Rose auch den Blinden und der Schauspieler trägt mit Sicherheit auch eine Schale über seinen eigenen Augen, die ja irgendwer angefertigt hat) da rastet er aus und läuft wie wild im Raum umher und kann sich kaum beruhigen.
"Wie schaut das denn aus? Das ist ja furchtbar? Hässlich! Nein, das mache ich nicht! Was sollen denn die Ärzte denken?"
Echt jetzt? Immerhin ist es ja mein jetziges Aussehen. Hässlich? Nein! Ich finde es gut und einzigartig so wie es ist. Und ich kenne mich nur so. Ich würde gerne so bleiben wie ich bin. So dachte ich selber.
Aber gut. Es ist wohl so in seiner Berufsehre gekränkt gewesen, das er sich das beim besten willen nicht vorstellen konnte, das das mein Wunsch ist. Aber: Ich denke das mein Wusch stärker wiegt als seine Berufsehre. Einen weiteren Okularisten habe ich aber nicht mehr aufgesucht, da ein damaliger Augenarztbesuch und der Besuch der Uniklinik meine Recherche an der Stelle unterbrochen hatte.
Hornhaut wieder in Ordnung bringen
Bei den Besuchen bei meiner alten Augenärztin und der Überweisung in die Klinik Koeln-Mehrheim, wo ich schon so oft operiert wurde, gab es eine weitere Option, die die Amputation evtl. unnötig machen würde: Eine Operation bei der ein Entkalkungsmittel, also Säure, auf der Hornhaut zur "Entkalkung" gegeben wurde. Bei der OP, lokal betäubt, hatte ich zum ersten mal einen Eindruck, wie hoch der Augendruck tatsächlich ist. Ich hörte, wie das Skalpell auf der Hornhaut richtig den Kalk abkratzte, wie es sich eben anhört, wenn man mit Metall auf Stein kratzt. Ich dachte, das das Auge viel weicher ist und nachgibt. Die Hornhaut war aber offensichtlich Bretthart, beziehungsweise Steinhart, um im Bild zu bleiben.
Das hat mir sehr eindrücklich demonstriert, wie ein hoher Augendruck tatsächlich ist
(Es war ja unter Betäubung, hat also nicht weh getan, falls jetzt einige einen Schreck haben sollten.)
Erneute Schmerzen
Danach war es wieder Länger ok. Es bildeten sich aber im laufe eines Jahres wieder erste Kalkablagerungen.
Meine sehr sehr gute Augenärztin der letzten Jahrzehnte hat mich immer wieder in die unterschiedlichen Kliniken verwiesen, wenn es nötig war und immer sehr gut betreut. Jetzt fängt es wieder an öfters weh zu tun. Kopfschmerzen, Bindehautentzündungsgefühl, Brennen der Hornhaut, Fremdkörpergefuehl auf der Hornhaut sind fast an der Tagesordnung. Ich denke, das ich auch oft einfach gelernt habe das zu ignorieren. Seit Dezember führe ich jetzt mal ein "Schmerztagebuch" und stelle fest, das ich tatsächlich fast täglich Schmerzen habe. zwischendrin aber auch mal vier oder fünf Tage völlig Beschwerdefrei. Mal nur kurzfristig. Nie wirklich unaufhaltbar. Schmerzmittel nehme ich keine. Der doch...
Aktueller psychischer Stand
Nach Corona habe ich mich sehr aggressiv anderen Menschen gegenüber verhalten. Auch Kunden gegenüber. Mein Kompagnon hat sich drastisch bei mir beschwert. Also habe ich aus aktuellem Anlass einen Psychologen aufgesucht, den ich nur wärmstens empfehlen kann. Bei der Gelegenheit habe ich dann auch gleich mal das Thema mit meinem Bruder angesprochen. Verstecken ging ja eh nicht, da er natürlich gleich fragte, was mit meinem Auge sei
Dabei ist mir aufgefallen, das mein Bruder mich als Säugling mit einer Schnur um den hals bereits an der Gardine erhängt hatte und mich meine Mutter noch rechtzeitig gefunden hatte, ich war bereits blau angelaufen. Sie suchte mich, weil es so auffallen still war. (Mein Bruder ist nur elf Monate älter als ich). Und er krabbelte gerade vom Vorhang weg und da schaute sie dahinter.
Auch hat er mich als ich ca. neun war beim Spielen schwer am Rücken verletzt. Längere Geschichte. Ich sprang von einer hohen Mauer auf ein Brett, das wie eine Wippe aufgestellt war, um meinen Bruder in die Luft zu katapultieren. Hatten wir im TV im Zirkus gesehen. Und bei der x-ten Wiederholung meinte er, die Höhe wurde stets gesteigert, ich solle mich viel steifer machen. Ich sprang und im letzten Moment sprang er zur Seite. Ich landete stocksteif aus ca. drei meter Höhe auf einem Brett, das keinen Widerstand mehr bot... . Ungespitzt in den Betonboden gerammt, sozusagen. Habe heute noch gerne Rückenschmerzen... .
Das er mit mit einer Holzlatte im Spiel auf die Nase schlug und das Blut in einem grossen Bogen aus dem Nasenrücken schoss ist nur eine weitere Geschichte. Eine Nachbarin brachte mich sofort zum Arzt in der Strasse gegenüber, der mich wieder zu Nähte. Das ich danach kaum noch Luft durch die Nase bekam war nicht aufgefallen. Erst in der Therapie wurde mir das klar. Habe also Anfang dieses Jahres eine Nasen-OP machen lassen. Jetzt kann ich auch durch die Nase atmen Sehr befreiendes Gefühl.
Das ich immer wieder schmerzen im Auge habe und die Hornhaut so langsam an wieder zicken macht, auch wenn noch nicht so schlimm wie schon einmal vor der letzten OP, ist gerade Thema. "Kein Mensch muss andauernd Schmerzen erdulden...", sagte er... . Und ich glaube er hat recht. Allerdings bin ich an der Stelle sehr empfindlich. Er stimuliert mich sehr die alte Idee, das Auge entfernen zu lassen, neu an zu gehen. Für meinen Geschmack etwas zu sehr.
Daher meine Idee des Schmerztagebuches. Und ja, es ist dann doch fast täglich. Dennoch bin ich noch nicht so überzeugt wie vor der letzten OP, das es jetzt einfach Zeit wird es raus zu holen.
Schielen als psychisches Problem?
Es bleibt der Punkt mit dem "Schielen", was ich weitaus schlimmer finde als ein graublaues, blindes Auge, das sich aber sehr sehr schön mitbewegt.
Auch finde ich ein verändertes Aussehen problematisch. Ich mag mich so wie ich bin. Und ich weiss mit anderen und der Situation um zu gehen. Ich kann mit noch nicht so richtig vorstellen wieder zwei braune Augen zu haben.
Andererseits. Seit einiger Zeit trage ich ohnehin eine Gleitsichtbrille. Und die zwing mich ohnehin häufiger den Kopf auf das aus zu richten, was ich ansehen möchte...? Evtl. stelle ich mir das mit dem Schielen viel zu heftig vor? Evtl. überwiegt auch ein "normales" Auge und ist das schielen ja nicht so schlimm? Evtl. reagieren Menschen nicht darauf?
Andererseits sehe ich immer sofort, wenn einer ein Glasauge hat. Zumindest bei denen, wo es sich eben nicht richtig mitbewegt. Ich habe schon bei Youtube geschaut. Aber es gibt meist nur Filmchen, wie ein Auge hergestellt oder wie es rein und raus gemacht wird. Aber filmchen, wie sich ein Glasauge genau bewegt habe ich kaum gefunden...?
Habt ihr da einen Link für mich? Wohnt jemand in Köln, den ich gerne mal zum Kaffee einlade und wo ich mich überzeugen kann, das man es nach einer halben Stunde ohnehin nicht mehr merkt, das das gegenüber ein Glasauge hat? Das würde sicher helfen?
Auch meint mein Psychologe, das es evtl. sein könnte, das der Ersatz durch ein schmerzfreies Glasauge, wovon ich mittlerweile ausgehe, dank eurer zahlreichen Berichte, mich einen Schlussstrich unter ewig neue Operationen und schmerzen ziehen lässt.
Trauma des Unfalls
Auch könne es sein, das ich das Auge derzeit nicht mehr so einfach rausnehmen lassen möchte, da mein Bruder mich noch vor wenigen Jahren, als er eine Pleite hingelegt hatte, danach völlig übers Ohr gehauen hatte. Er hat mich nach meiner Finanziellen unterstuetzung um mehr als 20.000 Euro betrogen.
Vor diesem Betrug hatte ich kaum Probleme mit dem "Unfall". Ich hatte ein Problem damit, das er sich nicht entschuldigt hatte, das er so dumm war mir die Flasche trotz anschreien und Warnung vor der Explosion unter die Nase gehalten hatte. Das habe ich mit ihm im alten von ca. 20 Jahren mal besprochen. Wenig erfolgreich. Aber danach war es für mich "gegessen".
Aus seiner heutigen Sicht, also noch mal 35 Jahre später, wurde er nach dem Unfall von der gesamten Familie ungerecht behandelt und ich immer bevorzugt. Er wollte einfach eine ausgleichende Gerechtigkeit. Seit dem kann ich nicht mal mehr glauben, das es ein Kinderunfall war. Meine Sicht hat sich dahingehend geändert, das er wusste was passiert, wenn er das macht. Ich habe es, ja, mit neun Jahren, schließlich auch gewusst. Erst in der Therapie wurden mir die andern "Attacken" wieder bewusst.
Dennoch bin ich jetzt doch wieder auf gutem Wege diesen Vorfall als "Unfall" zu sehen. Auch wenn mein Bruder die Situation dahin ausnutzte mich in Todesangst zu versetzen. Nur so als Jungenstreich. Und das ist ärgerlich genug, aber aus einer föllig kranken Familiengeschichte nachvollziehbar.
Mein Bruder wollte mich immer schon "loswerden". Er wurde in eine sehr kranke Familie hineingebohren, wo es kaum etwas positives gab. Und das wenige musste er schon sehr sehr früh auch noch mit mir teilen.
Als der Unfall war, hatte er keine chance mit seiner "Schuld" um zu gehen. Statt dessen hat er gesehen, das ich später finanziell unterstützt wurde um im Ausland zu studieren und er nicht.
Dieses "Unrecht an Ihm" hat er dann durch Betrügereien "auszugleichen" versucht.
Ich denke, das er es nie geschafft hat mit seiner "Schuld" adäquat um zu gehen. Seine Wohnung gleicht der eines Messies. Ich hoffe er kann seinen Frieden machen.
In wie weit also das Festhalten an meinem Auge eine "andauernde Warnung" an meinen Bruder ist und ich deshalb nicht loslassen kann, obwohl ich das schon mal konnte, oder ob das nur eine Interpretation meines Therapeuten ist hinter der ich nicht stehe, weiss ich noch nicht. Ich werde berichten.
Jedenfalls will ich mir da drüber erst im klaren sein, bevor ich es aus falschen Gründen herausnehmen lasse, nur weil mein Therapeut das meint. Will ich also noch klären, bevor es soweit ist.
Aussichten
Nächste Woche erst noch mal zum Augenarzt und viele medizinische Fragen klären, die ich hier zusammengetragen habe.
Dann Termin mit einem anderen Okularisten wegen Herstellungsmöglichkeiten eines "blinden Glasauges". Alternativ kann ich ja mal sehen, wie ich mit einem "normalen" Glasauge zurechtkomme und mir die Option des "blinden Glasauges" noch offen halten, sollte mich ein normales Auge doch "stören". Aber evtl. gibt es die Alternative eines "blinden Glasauges" ja, was für mich schon mal beruhigend sein könnte.
Ich habe hier viel gelesen und mir eine Liste von Fragen gemacht, die ich nächste Woche mit meiner neuen Augenärztin besprechen möchte und natürlich auch mit meinem Therapeuten.
Daher dieser sehr lange Bericht, der Hoffentlich auch anderen Usern und zukünftigen etwas hilft, bei der Entscheidungsfindung und bei Fragen, die sie sich selber vielleicht noch nicht gestellt haben.
Ich werde berichten, was in der nächsten Zeit so alles passiert und wie es sich entwickelt.
Evtl. habt ihr ja schon die eine oder andere Antwort?
Nach nächste Woche werde ich jedenfalls noch eine menge Fragen haben.
lg
Oliver